Lexikon

Welches Wort steht wofür?

Wörter, die man nicht auf Anhieb versteht, gibt es viele – vor allem in der Medizin. Die meisten Ärzte bemühen sich zwar, sich verständlich auszudrücken, aber trotzdem hörst du wahrscheinlich immer wieder Fremdwörter und Abkürzungen, die du (noch) nicht kennst. In diesem Kapitel werden häufig vorkommende Begriffe rund um die MS verständlich erklärt.

Antikörper Ein Eiweiß, gebildet vom Immunsystem als Reaktion auf eine (meist fremde) Substanz, die man Antigen nennt.

Autoimmunkrankheit Krankheiten wie Rheuma oder MS, bei denen das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift.

Axon Nervenfasern, die Impulse von einer Nervenzelle zur anderen übertragen.

Blut-Hirn-Schranke Eine „Grenze“, die viele Substanzen daran hindert, über das Blut ins Gehirn zu gelangen. Bei MS versagt diese Schranke.

B-Zelle Ein weißes Blutkörperchen, das im Knochenmark gebildet wird, an Immunreaktionen beteiligt ist und Antikörper bildet.

Computertomografie Eine Röntgenuntersuchung, die einen dreidimensionalen Blick in das Innere von Organen ermöglicht.

Demyelinisierung Krankhafter Verlust von Myelin, der Substanz, aus der die Markscheiden bestehen.

Diplopie Doppelsehen.

Dysarthrie Gestörte Aussprache.

Dysästhesie Brennende Schmerzen entlang eines Nervs.

Dyssynergische Blase Eine Harnblase, deren Schließmuskel und Wand unkoordiniert arbeiten.

Eiweiß Siehe Protein.

Enzephalomyelitis Entzündung des Gehirns und des Rückenmarks.

Erbkrankheit Eine Krankheit, die auf Genveränderungen zurückzuführen ist und von einer Generation auf die nächste übertragen werden kann.

Ergotherapie Unterstützt kranke oder behinderte Menschen darin, die Fähigkeit zu bestimmten Handlungen zu bewahren oder wiederzugewinnen.

Fresszellen Siehe Makrophagen.

Hirnstamm Der Teil des Zentralen Nervensystems, der die Atmung und das Herz steuert. Er verbindet das Großhirn und das Kleinhirn mit dem Rückenmark.

Immunantwort oder -reaktion Die Reaktion des Körpers auf Substanzen, die fremd sind oder als fremd angesehen werden.

Immunsystem Körpereigenes Abwehrsystem. Es besteht aus mehreren Organen (u.a. Lymphdrüsen, Knochemark, Mandeln, Milz, Thymus), die bestimmte weiße Blutkörperchen und Antikörper bilden. Diese sind im Stande, Viren, Bakterien, Pilze, fremde Substanzen oder Gifte zu vernichten oder zu neutralisieren.

Inkontinenz Die Unfähigkeit, die Entleerung des Darms oder der Blase zu steuern.

Interferone Eine Gruppe von Eiweißen des Immunsystems, gebildet und freigesetzt von Zellen als Reaktion auf bestimmte Krankheitserreger. Sie beeinflussen die Immunreaktion. Medikamente mit labortechnisch hergestelltem Interferon-beta sind als Basistherapie bei MS zugelassen.

Kinderneurologe Ein Arzt, der auf die Diagnose und Behandlung von Nervenkrankheiten bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert ist.

Cortison/Kortikosteroid Ein Medikament, das Entzündungen hemmt und das Immunsystem unterdrückt.

Läsion Ein Schaden im Nervengewebe.

Liquor Nervenwasser – eine klare Flüssigkeit, die das Gehirn und Rückenmark einhüllt und polstert.

Lumbalpunktion Das Einführen einer sehr dünnen Hohlnadel in den Kanal der Lendenwirbelsäule, um Nervenwasser zu entnehmen.

Lymphozyten Weiße Blutkörperchen, die Teil des Immunsystems sind. Sie bekämpfen fremde Substanzen (Bakterien, Viren etc.) und sind auch an Autoimmunreaktionen beteiligt. Auch B-Zellen und T-Zellen
sind Lymphozyten.

Magnetresonanztomografie (MRT) Ein diagnostisches Verfahren, das ohne Röntgenstrahlen Bilder von Körperteilen liefert. Es ist ein wichtiges diagnostisches Mittel bei MS. Man kann damit Schäden in der weißen Substanz des Gehirns oder des Rückenmarks feststellen.

Makrophagen Zellen, die fremde Substanzen „fressen“.

Motorisch Bezieht sich meist auf die Fähigkeit, Muskeln zu benutzen.

Myelin (Markscheide) Substanz aus Fett und Eiweiß, die die meisten Nervenfasern einhüllt. Man findet sie im Zentralen und im Peripheren Nervensystem.

Myelinisierung Der Prozess, bei dem sich eine Myelinschicht bildet.

Nerv Ein Bündel von Nervenfasern (Axonen). Die Fasern sind entweder afferent (d.h. sie führen zum Gehirn und ermöglichen die Wahrnehmung von Sinnesreizen der Haut, der Gelenke, der Muskeln und inneren Organe) oder efferent (d.h. sie führen vom Gehirn weg und steuern das Zusammenziehen von Muskeln und Organen).

Neurologe Ein Arzt, der auf die Diagnose und Behandlung von Nervenkrankheiten spezialisiert ist.

Neuropädiater Siehe Kinderneurologe.

Oligodendrozyten Zellen im Zentralen Nervensystem, die Markscheiden (Myelin) bilden.

Oligoklonale Banden Ein diagnostisches Zeichen, das auf nicht normale Mengen bestimmter Eiweißkörper im Nervenwasser hinweist. Tritt bei etwa 90 Prozent aller MS-Kranken, aber auch bei anderen Krankheiten auf.

Optikusneuritis Entzündung des Sehnervs. Die Folge sind Sehstörungen.

Parästhesie Prickeln oder Stechen in verschiedenen Körperteilen.

Paroxysmale Spasmen Anfallsartige Krämpfe in den Gliedmaßen.

Peripheres Nervensystem Besteht aus zahlreichen Nerven, die Reize und Informationen zum Zentralen Nervensystem oder von dort zu anderen Körperteilen befördern.

Physiotherapie Nutzt manuelle Fertigkeiten des Therapeuten zur Vorbeugung und Therapie von körperlichen Einschränkungen, gegebenenfalls ergänzt durch physikalische Reize (z.B. Wärme, Kälte, Druck, Strahlung, Elektrizität). Kann auch für die MS-Therapie wichtig sein.

Plasmapherese Die Abtrennung des Plasmas (des flüssigen Blutbestandteils) von den Blutkörperchen nach der Blutentnahme. Die festen Bestandteile werden anschließend mit Fremdplasma oder einer Kochsalzlösung wieder in den Blutkreislauf geleitet.

Protein Natürliche Substanzen, die in Pflanzen und Tieren vorkommen und aus Stickstoff und Aminosäuren bestehen.

Reflex Die sofortige Reaktion eines Körperteils auf einen kurzen Reiz.

Remission Eine Symptommilderung oder das zeitweilige Verschwinden von Symptomen bei einer Krankheit.

Retrobulbärneuritis Schwellung oder Reizung des Sehnervs hinter dem Auge als Folge einer Entzündung.

Rückenmark Der Teil des Zentralen Nervensystems, der das Gehirn mit dem Peripheren Nervensystem verbindet.

Sensorisch Die Sinne (Tasten, Schmecken, Riechen, Sehen und Hören) betreffend.

Spastik Der Verlust der Elastizität der Bein- und/oder Armmuskeln als Folge einer Erkrankung des Zenralen Nervensystems. Ein häufiges Symptom ist eine extreme Muskelsteifheit, die aktive und passive Bewegungen erschwert.

Symptom Ein Krankheitszeichen. Ein subjektives Symptom ist ein Krankheitszeichen, das der Patient feststellt.

Tremor Unwillkürliche Bewegungen (Zittern) der Arme, der Beine oder des Kopfes. Kommt bei vielen Krankheiten und in unterschiedlicher Stärke vor.

T-Zellen Weiße Blutkörperchen, die im Thymus, in den Rachenmandeln und anderen Organen gebildet werden und an der Immunreaktion beteiligt sind. Man nimmt an, dass sie bei der MS-Enstehung eine erhebliche Rolle spielen.

Virus Ein kleiner Organismus (Keim), der aus Erbinformation und einer Hülle besteht. Viele Viren können bei Menschen und Tieren Infektionskrankheiten
auslösen.

Weiße Substanz Der Teil des Zentralen Nervensystems, der Nervenfasern mit Markscheiden enthält und weiß aussieht. Im Gegensatz dazu enthält die Hirnrinde die Zellkörper und sieht grau aus (Graue Substanz).

Zerebellum Kleinhirn – der Teil des Gehirns, der Bewegungen koordiniert.

Zentrales oder Zentralnervensystem (ZNS) Es besteht aus dem Gehirn und dem Rückenmark. Es steuert und verarbeitet viele Körperfunktionen (z.B. Bewegungen, die Atmung, den Sehvorgang und das Gedächtnis) und sendet Signale an die Körperteile.

Arzneimittel gegen Multiple Sklerose

Die Aufgabe des menschlichen Immunsystems ist es, Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren abzuwehren. Bei der Multiplen Sklerose wendet sich das Immunsystem jedoch gegen den eigenen Körper und greift wichtige Bestandteile des Nervensystems an. Das Ziel der meisten MS-Medikamente lautet deshalb, regulierend auf die fehlgeleiteten Komponenten des Immunsystems einzuwirken.

 

Basistherapien: Interferon-beta (IFN-beta), Glatirameracetat und Dimethylfumarat

Bei Vorliegen einer pädiatrischen MS mit mildem bis moderatem Verlauf kommen Wirkstoffe mit einem gut erforschten Sicherheitsprofil zum Einsatz.

  • IFN-beta-Präparate sind biotechnologisch hergestellte Proteine, die als Zytokine (Botenstoffe des Immunsystes) unter anderem immunmodulierende Wirkung besitzen. Darüber hinaus scheinen sie die Durchlässigkeit der Blut-Hirnschranke für T-Zellen (bestimmte Zellen des Immunsystems) zu verringern.
    • IFN-beta1b
      • Betaferon® (Hersteller: Bayer-Schering) wird alle zwei Tage als Injektion unter die Haut verabreicht und ist ab dem zwölften Lebensjahr zugelassen.
      • Extavia® (Hersteller: Novartis) wird alle zwei Tage als Injektion unter die Haut verabreicht und ist ab dem zwölften Lebensjahr zugelassen.
    • IFN-beta1a
      • Avonex® (Hersteller: Biogen) wird einmal wöchentliche als intramuskuläre Injektion verabreicht und ist ab dem zwölften Lebensjahr zugelassen.
      • Rebif® (Hersteller: Merck-Serono) wird dreimal wöchentlich als Injektion unter die Haut verabreicht und ist ab dem zweiten Lebensjahr zugelassen.
    • Glatirameracetat in Form von Copaxone® (Hersteller: Teva Pharma) wird dreimal wöchentlich als Injektion unter die Haut verabreicht.
    • Dimethylfumarat in Form von Tecfidera® (Hersteller: Biogen) wird täglich in Tablettenform eingenommen.

 

Eskalationstherapien

Eine hohe Krankheitsaktivität mit häufigen oder schweren Schüben oder das Versagen der Basistherapie erfordert Medikamente, die stärker in das Immunsystem eingreifen (die Therapie wird „eskaliert“).

  • Alemtuzumab in Form von Lemtrada® (Hersteller: Sanofi Genzyme) wird als intravenöse Infusionen zuerst an fünf aufeinanderfolgenden Tagen gegeben, dann nach zwölf Monaten an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Es sind zwei weitere dreitägige Behandlungsphasen möglich.
  • Fingolimod in Form von Gilenya® (Hersteller: Novartis) wird täglich in Kapselform eingenommen. Fingolimod ist ab einem Alter von 10 Jahren zugelassen.
  • Natalizumab in Form von Tysabri® (Hersteller: Biogen) wird alle vier bis sechs Wochen als intravenöse Injektion verabreicht.
  • Ocrelizumab in Form von Ocrevus® (Hersteller: Roche) wird als intravenöse Infusion verabreicht. Zum Anfang wird die Infusion zweimal im Abstand von zwei Wochen gegeben, dann halbjährlich.
  • Ofatumumab in Form von Kesimpta® (Hersteller: Novartis) wird zuerst über einen Zeitraum von drei Wochen wöchentlich unter die Haut injiziert. Nach entsprechender Schulung kann der Wirkstoff dann von den Patient*innen mit Hilfe eines Fertigpens selbst gespritzt werden.
  • Rituximab in Form von MabThera® (Hersteller: Roche) oder Rixathon® (Hersteller: Sandoz) wird als intravenöse Infusionen verabreicht. Zum Anfang wird die Infusion zweimal im Abstand von zwei Wochen gegeben und dann halbjährlich.
  • Siponimod in Form von Mayzent® (Hersteller: Novartis) dient der Behandlung einer sekundär fortschreitenden multiplen Sklerose. Es wird in Tablettenform einmal täglich eingenommen.